Der moderne digitale Handel hat sich in den letzten zehn Jahren verändert. Wie wird sich der Sektor in den kommenden Jahren weiterentwickeln? Im Folgenden stellen wir drei Unternehmen vor, die auf unterschiedliche Weise zeigen, dass es in der nächsten Stufe des E-Commerce vor allem um das Schaffen überzeugender Produkterlebnisse gehen wird.
L'Oréal Paris: Markenwerte zählen
Eine der Risiken beim Einsatz neuer Technologien besteht darin, dass sich die Verbraucher in erster Linie für die Technologie und ihren Neuigkeitswert interessieren und nicht mehr für das Produkt selbst. Im Gegensatz dazu ziehen erfolgreiche, erlebnisorientierte Aktivitäten im Handel die Verbraucher an. Sie regen die Verbraucher dazu an, sich mit einer Marke oder einem Händler zu beschäftigen und zu interagieren.
Signature Faces, die Luxusmarke von L'Oréal Paris ist ein Beispiel dafür, wie das umgesetzt werden kann. Es handelt sich um die erste digitale Make-up-Linie. Genauer gesagt, ist es eine virtuelle Palette von Augmented-Reality-Filtern, die online getragen werden können.
Dies spiegelt in gewisser Weise unsere heutige Art und Weise des Lebens wider. Wir leben in einer Welt der Online-Meetings und der sozialen Kontakte über Smartphones. Auf der Website von L'Oréal wird dafür ein virtueller Try On geboten. Hier können die Verbraucher ein Selfie hochladen und verschiedene Produkte ausprobieren. Die Strategie von L'Oréal verbindet die beiden Welten miteinander: Es werden die Vorteile der Make-up Palette und der Spaß am Ausprobieren in die digitale Welt übertragen.
Ohne es zu merken, wird dem Verbraucher eine neue Welt offenbart, die ihm aber zugleich vertraut ist. Sie ist zudem nützlich für alle, die keine Zeit für ein Besuch im Geschäft haben. Auf diese Weise überträgt L'Oréal die in der realen Welt etablierten Markenwerte in die digitale Welt.
Amazon: Entertainment und Livestreaming im Handel
Kunden im Handel zu unterhalten, hat tiefe Wurzeln. Seit dem viktorianischen Zeitalter locken Händler mit weihnachtlichen Schaufensterauslagen Kunden an. IKEA gestaltet beispielsweise seine Filialen, um die Kunden in eine IKEA-Welt eintauchen und in verschiedenen Räumen Produkte sehen zu lassen, während sie sich langsam zur Kasse durcharbeiten. So gesehen ist das Aufkommen von Livestreaming zwar ein neues Phänomen, aber auch eine Variation einer bestehenden Idee: Unterhaltung im Handel - manchmal auch als "Retailtainment" bezeichnet.
Vor allem in Asien ist es für die Verbraucher inzwischen gang und gäbe, gleichzeitig zuzuschauen und einzukaufen, da die erfolgreichsten Influencer in diesem wettbewerbsintensiven Umfeld ein großes Publikum anziehen können. Diese Entwicklung hatte ihren Start durch Alibabas Taobao Live im Mai 2016. Es wird erwartet, dass die Verkäufe in China über Livestreaming bis 2022 ein Volumen von 423 Mrd. USD erreichen werden.Da die Verbraucher per Mausklick Produkte kaufen und sich per Chat beteiligen können, ist dies der Handel des 21. Jahrhunderts. Er ist vollkommen auf das Zeitalter der mobilen und sozialen Medienkanäle zugeschnitten. Sind das also schlechte Nachrichten für etablierte Händler? Nicht unbedingt.
Amazons Wurzeln liegen in der Ära des E-Commerce mit Katalogeinkäufen und Desktop-PCs. Aber das Unternehmen hat sich immer wieder neu erfunden. Mit Amazon Live, das im Februar 2019 eingeführt wurde, kann der globale Handelsriese sowohl mit Livestreaming als auch mit Home-Shopping-TV-Kanälen konkurrieren. Die Zielgruppe mag oft älter sein als die Nutzer von TikTok, Twitch und Instagram, aber Amazons schiere Reichweite macht diesen Kanal zu einem attraktiven Angebot. Vor allem auch für internationale Marken, die neue Produkte auf den Markt bringen. Kurz gesagt, Amazon nutzt Amazon Live, um seine Größe und Reichweite zu auszubauen.
Pangaia: Ein Blick in die Zukunft des E-Commerce?
Das Öko-Bekleidungsunternehmen Pangaia beschreibt seinen Ansatz als "High-Tech-Naturalismus". Das bedeutet, dass es die Arbeit an der Spitze der Materialwissenschaft mit einem Ethos verbindet, das die Nachhaltigkeit betont. Der Name des Unternehmens verbindet Pan, was so viel wie "alles" bedeutet, und Gaia, James Lovelocks Idee von der Erde als einem einzigen System.
Eine der jüngsten Produkteinführungen betraf FLWRDWN, einen firmeneigenen Ersatz für Gänse- und Entendaunenisolierung. Dieser wird aus einer Hightech-Formel hergestellt, bei der landwirtschaftliche Abfälle von Wildblumen mit einem Biopolymer gemischt und mit Aerogel durchtränkt werden.
Aber wie verkauft man ein solches Produkt? Einerseits kann man darauf hinweisen, dass es sich um ein Hochleistungsmaterial für Daunenjacken handelt. Das allein scheint für ein so revolutionäres Produkt nicht zu reichen. Zum anderen besteht die Gefahr, das Marketing zu kompliziert zu gestalten und Wissenschaft und Nachhaltigkeit zu betonen, anstatt die Jacken als schick und modisch zu verkaufen.
Im Jahr 2020 fand Pangaia eine Lösung für das Problem. In Zusammenarbeit mit der Fashion Innovation Agency (FIA) des London College of Fashion und den Spezialisten für virtuelles allumfassendes E-Commerce, AnamXR , präsentierte das Unternehmen eine virtuelle und antarktische Umgebung, in der die FLWRDWN-Kollektion vor einer eisigen Kulisse präsentiert wird. Anstatt den Verbrauchern zu sagen, dass das Material effizient ist, wurde ein visueller (und emotionaler) Hinweis darauf gegeben, dass FLWRDWN selbst in den kältesten Gegenden warm ist.
Es war ein Ansatz, der 3D-Modellierung, Video und - was wohl am wichtigsten ist - Storytelling miteinander kombinierte. Es ist auch ein Beispiel dafür, wie Spielansätze im E-Commerce Einzug halten. Es ist nur eine von vielen Gamification-Aktivitäten aus dem Modesektor. Diese zeigen, wie sich der digitale Einzelhandel in den kommenden Jahren entwickeln wird.
Wie können Marken und Händler ihre ersten Schritte zum Erfolg im digitalen Handel der nächsten Generation gehen?
Um die Art von Produkterlebnissen zu schaffen, die wir hier beschrieben haben, brauchen Unternehmen nicht nur ein klares Verständnis der Markenwerte und der Wahrnehmung des Unternehmens auf dem Markt. Es braucht auch Technologien, die das Schaffen dieser Erlebnisse unterstützen. Und natürlich müssen die Unternehmen innovative Produkte und Erlebnisse anbieten.
Aber das allein reicht nicht aus. Marken und Händler müssen ihre Kunden über ihre Produkte informieren, und zwar konsistent über verschiedene Kanäle hinweg. Ein Produkt Information Management-System (PIM) kann hier helfen. Denn es ermöglicht den Unternehmen eine bessere Kontrolle über die Produktdaten und trägt dazu bei, das Kundenerlebnis zu unterstützen und zu verbessern.