Damit aus Kaufinteresse eine Bestellung wird, braucht es drei Faktoren: ein gutes Produkt zu einem akzeptablen Preis – aber vor allem eine herausragende „Buying Experience“. Unternehmen, die das verstehen und auf allen Vertriebskanälen berücksichtigen, belohnen sich selbst mit mehr Traffic, höheren Konversionsraten und weniger Prozessabbrüchen. Laut Gartner wachsen sie doppelt so schnell wie ihre Mitbewerber. Höchste Zeit also, den Megatrend „Experience Economy“ auch im Verkaufsprozess umzusetzen.
Kunden können eine widersprüchliche Spezies sein. Einerseits stehen sie ständig unter Zeitdruck. Sie bevorzugen generell die Selbstbedienung – im Markt um die Ecke wie im Webshop. Die großen Einkaufsplattformen offerieren Expresssendungen oder sogar „Same Day Delivery“. Lieferservices überbieten sich mit immer wahnwitzigeren Reaktionszeiten. Zeit ist die neue Währung.
Gleichzeitig ist Schnelligkeit aber auch nicht das Maß aller Dinge. Denn Zeit ist nicht nur für Physiker, sondern auch für Kunden eine relative Größe: Fühlen sie ihre Zeit sinnvoll investiert, drängt es sie plötzlich nicht mehr zur Eile. Wie sonst ließe sich erklären, dass Vielen ein vom Barista zubereiteter und in Ruhe genossener Latte Macchiato sogar ein Vielfaches dessen wert ist, als sie für einen schnellen Kaffee mit Milch zahlen würden. Es geht also weniger darum, eine Dauer zu begrenzen, sondern die knappe Zeit „relevant“ zu füllen – mit zielführenden Aktionen, Unterhaltung, Genuss oder Emotionen.
Aktuellen Marktuntersuchungen zufolge sind etwa sechs von sieben Kunden bereit, für ein besseres Einkaufserlebnis einen deutlichen Aufpreis zu zahlen. Mehr noch: An die Stelle der Markentreue ist inzwischen die „Erlebnistreue“ getreten. Kunden kommen genau deswegen häufiger und auch die Bereitschaft zur Weiterempfehlung steigt.
Das gilt im Übrigen nicht nur für den Business-to-Consumer-Markt. Auch das „B2B“-Umfeld schätzt einen reibungslosen Prozess und ein angenehmes Geschäftsklima mittlerweile ebenso hoch wie makellose Produktqualität und günstige Preise. Eigenen Angaben zufolge würden rund 80 Prozent der Business-Kunden zu einem anderen Lieferanten wechseln, wenn er ihnen ein persönlicheres Einkaufserlebnis bieten kann; jeder zweite würde es sich etwas kosten lassen, wenn er das jeweils Gesuchte schneller findet.
Die Buying Experience ist ein „Game Changer“, der die Spielregeln des Markts entscheidend verändert. Doch was bedeutet das? – Häufig wird Buying Experience mit einem anderen Schlagwort aus der Experience Economy verwechselt, der „Customer Experience“, kurz CX. Genau genommen bezieht sich Letztere auf die einkaufenden Personen, während Erstere den gesamten Prozess des Einkaufens beschreibt.
Der Hauptunterschied besteht darin, dass sich CX per Definition auf existierende Kunden bezieht. Die Buying Experience ist vor allem in Bezug auf neue Kaufinteressenten am spannendsten. Hier entscheidet sich, ob ein Kaufvorgang entsteht oder es beim reinen Interesse bleibt. Reibungen im Prozess, inkonsistente oder nicht verfügbare Informationen und mangelhafte Personalisierung führen leicht zum Abbruch und verhindern, dass diese Kundin oder dieser Kunde jemals zurückkommt. Es gibt keine zweite Chance für einen (guten) ersten Eindruck.
Was aber garantiert einen reibungslosen Prozess und eine positive Buying Experience? Einige Stichwörter sind bereits gefallen:
Die erste praxistaugliche Idee für einen personalisierten Online-Vertrieb entstand vor mehr als 20 Jahren, als Greg Linden, Brent Smith und Jeremy York für Amazon die spätere „Recommendation Engine“ entwarfen. Deren Empfehlungen waren allerdings ziemlich generisch. Sie basierten auf dem Prinzip „mehr vom Gleichen“. Wer ein neues Mountain E-Bike im Warenkorb hatte, braucht kein weiteres Mountain E-Bike.
Konventionelle Empfehlungsmaschinen arbeiten heute noch mit einer begrenzten Anzahl von Parametern. Sie legen den Kunden Produkte ans Herz, die sie schon einmal gekauft oder die sie sich bereits angeschaut haben. Manchmal auch einfach die Bestseller – oder die Artikel, die vielleicht dringend aus dem Lager verschwinden sollten. Was der potenzielle Käufer tatsächlich will, scheint dem Online-Shop egal – eine gute Buying Experience sieht anders aus. Um Kundenbedürfnisse anzusprechen, müssten deutlich mehr Informationen miteinander verknüpft werden.
Der Schlüssel zu einer gelungenen Buying Experience liegt in einer nahtlosen Verknüpfung der Produktdaten mit Informationen, die der Kunde über sich preisgibt – und das über die verschiedensten Kanäle hinweg. Ein guter Verkäufer, der seinen Kunden kennt und weiß, dass er beispielsweise gern in Chiemgauer Alpen zum Trail Running geht und wird darauf im Beratungsgespräch eingehen. Um im modernen Omnichannel-Handel mit einer exzellenten Buying Experience zu punkten, brauchen wir konsistente Produktdaten über alle Kanäle hinweg.
Im Webshop müssen also die gleichen Informationen zum Produkt vorliegen wie in der Filiale oder beim Kundenservice am Telefon. Dies kann ein Product Information Management (PIM) heute schon leisten. Das PIM-System ist die Zentrale für alle Daten zu einem Produkt und das entlang der Wertschöpfungskette vom Warenwirtschaftssystem bis zum Online-Shop. Es betrifft also alles, was vor und nach dem Kundenkontakt passiert: Ist das PIM mit dem ERP oder der Warenwirtschaft gekoppelt, weiß es beispielsweise, ob ein Produkt überhaupt noch verfügbar ist, bevor es nach einer entsprechenden Suchanfrage im Webshop auf der Ergebnisseite angezeigt wird.
Um vom Kunden gut gefunden zu werden, sollten die Produktdaten ohnehin suchmaschinenoptimiert (SEO) im PIM liegen. Gerade wenn mehrere Online-Shops die Daten vom PIM des Herstellers bekommen, erleichtert dies den laufenden Betrieb enorm und alle profitieren von dem höheren Traffic.
Ein funktionierendes PIM dient als Katalysator für Personalisierung und Kontextualisierung, indem es auch rudimentäre Kundeninformationen ad hoc mit den sehr viel detaillierteren und modular gespeicherten Produktinformationen verknüpft. Ein gutes PIM ist in der Lage, Produktinformation in Echtzeit an unterschiedliche Nutzer im jeweiligen Kontext und Kanal anzupassen.
Neben den Produktinformationen kann – und sollte das PIM auch kunden- und kontextbezogenen Content enthalten. Häufig richten sich die Produktdetailseiten, auf denen Kaufempfehlungen aufgeführt werden jedoch zu sehr nach breiten Interessenskategorien. Die klassischen „weil sie x schon gekauft haben…“ oder „andere Kunden kauften y…“ sind für die Personalisierung wenig hilfreich. Auf einer guten Produktdetailseite werden Kunden nicht die Dinge angezeigt, die sie schon im Warenkorb hatten, sondern die, die in ihrem Warenkorb landen könnten. Wenn das noch etwas kryptisch klingt, hier ein Beispiel: Ein Kunde kauft ein Paar Trekkingstöcke. Anstatt ihm nun einige weitere Paare Trekkingstöcke zu zeigen, die er nicht benötigt, wäre es sinnvoller, ihm eine Sportsonnenbrille zu zeigen, die er auf der nächsten Sommerwanderung brauchen kann.
Wer Recommendations nur an der Kaufhistorie fest macht, spannt den Wagen vor das Pferd. Ein guter Verkäufer bietet seinen Kunden das an, was sie noch nicht haben, aber wollen und nicht was sie schon besitzen.
Kunden, die man so für seine Marke, seinen Online-Shop oder seine Produkte begeistert hat, sind auch eher bereit, Auskunft über ihre Interessen, Vorlieben und speziellen Bedürfnisse zu geben. Ideale Voraussetzungen, um das Erlebnis beim nächsten Einkauf noch genauer auf die Wünsche des Kunden zuzuschneiden.
Den ersten Schritt muss jedoch der Anbieter und nicht der Kunde gehen. Er sollte mit einer „Experience-first“-Mentalität an den Verkaufsprozess herangehen. Jede Person ist irgendwann einmal selbst Kundin oder Kunde. Die Verantwortlichen müssen sich also nur in die Lage der potenziellen Käufer versetzen und überlegen, was eigentlich nötig wäre, um sie selbst vom Interessenten zum Stammkunden zu machen.